Das Escargot ist unscheinbar, zurückhaltend, liegt nahezu verborgen im tiefen Wedding. Ein kleines Restaurant, das sein warmes Kerzenlicht durch das große Schaufenster auf die ruhige Brüsseler Straße wirft. Wir kommen zum Abendessen.
Imposant, kräftig und besonders sind hingegen die Aromen im Escargot. Eine beeindruckende runde Tiefe der Gerichte, finde ich.
Wenn es klassisch losgeht, fühle ich mich irgendwie gleich wohl. Brot, Oliven, Wein, Wasser - ich mag diese Art ein Abendessen zu beginnen, sie ist mir vertraut. Wir überlegen eine Weile, welche Vorspeisen wir bestellen möchten, denn sie klingen alle sehr probierenswert. Das Lokal heißt L'Escargot, also nehmen wir die Schnecken sowie den hausgebeizten Lachs mit grünem Spargel und Fenchel.
Dass ich nicht viel persönliches Gefallen an den Schnecken erwarte plus die exzellente Zubereitung dieser im Escargot, führen dazu, dass sie mir so gut schmecken, wie selten etwas. Wirklich sehr überrascht bin ich von der angenehmen Konsistenz und vor allem von dem köstlichen Sud, in dem sie serviert werden. Rotwein, Pilze, Roquefort, Tomate und Knoblauch ergeben etwas sehr gutes, was mich geschmacklich an lang gereiften Parmesan erinnert. Wir bekommen noch etwas Brot, um die ganze Soße damit aufzusaugen.
Der Lachs schmeckt frisch, harmoniert mit Rucola, Spargel, mariniertem Fenchel und dem leicht scharfen Ingwerdressing und sieht sehr schön aus. Eine gelungene Vorspeise.
Bis die Hauptspeisen kommen, vergeht wieder etwas Zeit. Ohne dass es dran steht, kommt hier ganz klar Slow Food auf den Tisch. Martino, der Inhaber des Restaurants, kocht alle Gerichte alleine, immer frisch und erwärmt nicht bloß. Er versteht essen gehen nicht als satt werden gehen, sondern mehr als ein kleines Fest, bei dem man nicht möchte, das es so schnell endet. Das ist jedenfalls mein Gefühl. Dieser Abend hat Eventcharakter und das Warten zwischen den Gängen stört keinesfalls, denn wir sind in der richtigen Gesellschaft.
Und das Warten lohnt sich auch. Coq Au Vin in einer kräftigen Rotweinsoße, dazu eine knusprige Rosti aus geraspeltem Gemüse und kurz in der Pfanne geschwenkte Spinatstängel sind eine gute Wahl. Mindestens genauso voll im Geschmack ist auch das vegetarische Gericht: mit Süßkartoffelwürfeln gefüllte Aubergine und eine mit Feta gefüllte Zucchini in einer leichten Rahmsoße mit perfekt dosierter Trüffelnote. Dazu der kräftige Rotwein und ich fühle mich in den mediterranen Süden versetzt.
Die Speisen auf der Karte stammen aus der französischen Küche und haben gleichzeitig auch etwas Italienisches, denn Martino kommt aus Sizilien. Er liebt die Passion für Essen in Frankreich und die daraus entstandenen Gerichte und gleichzeitig hat er einen starken Bezug zur Küche seiner Heimat. Und gefühlt auch zu vielen anderen Kochstilen dieser Welt. Ob Algen, Sesam, Lakritze oder Curry - Martino liebt Lebensmittel und setzt sie an den unerwartetsten Stellen ein. Ich empfehle jedem, mal bei ihm essen zu gehen.
Weil bei einem festlichen Mahl das Dessert nicht fehlen darf, probieren wir noch das Parfait mit Kräuter-Wermut und das Mousse au Chocolat an Calvados-Äpfeln. Der Alkohol ist weder zu viel noch zu wenig, die Süße auch und die Dessertmenge ebenso.
Und weil bei einem Festessen à la Escargot auch der Absacker nicht fehlen darf, bekommen wir noch feinsten Likör aus schönen Flaschen in brennenden Gläsern. Und ein angeregtes Gespräch mit Martino und seiner Frau, die sich nach Feierabend gerne noch zu ihren Stammgästen an den Tisch setzen und ein paar Stunden plaudern. Über Gott und die Welt, über Essen und Trinken. Wir reden über Berlin, das alte und das neue. Das alte Berlin sei so viel lebendiger gewesen, sagt Martino. Dafür hat das neue das Escargot.
Wir verbringen einen wunderbaren Abend, bestes Essen und herzliche Gastfreundschaft im Escargot. Danach fühlen wir uns tatsächlich ein bisschen so, wie nach einer freudigen Feier.
L'escargot
Brüsseler Straße 39
13353 Berlin
Dienstag bis Sonntag von 17 bis 23 Uhr geöffnet